Alodia Witaszek-Napierała, Jahrgang 1938, wurde als Fünfjährige im besetzten Polen von der SS aus
einer polnischen Familie geraubt und als vermeintliches Waisenkind zur Adoption nach Deutschland gegeben.
Ihr Vater, ein angesehener Arzt und Wissenschaftler an der Posener Universität, wurde als Angehöriger
der Widerstandsbewegung im Januar 1943 verhaftet, zum Tod verurteilt und hingerichtet. Wenige Tage
danach wurde die Mutter zu Hause abgeholt und ins KZ Auschwitz deportiert.
Die Kinder wurden getrennt. Im September 1943 wurden Alodia und ihre Schwester Daria als "Rassekinder"
in das berüchtigte „Jugendverwahrlager Litzmannstadt“ im heutigen Łódź verschleppt, während die
anderen Geschwister zu Verwandten kamen. Über mehrere Stationen wurden die Kinder zwangsgermanisiert.
Man wollte ihre Erinnerungen auslöschen und sie glauben lassen, sie seien Deutsche, deren Eltern
im Krieg umgekommen sind. Im April 1944 wurde Alodia von ihrer neuen „Mutti“ abgeholt und nach Stendal
gebracht, wo ihre neue Familie wohnte.
Ihre leibliche Mutter überlebte die Konzentrationslager Auschwitz und Ravensbrück und kehrte im Mai
1945 nach Posen zurück. Mit Hilfe polnischer und internationaler Organisationen suchte sie zwei Jahre
lang nach Alodia und Daria, bis sie schließlich 1947 ihren Aufenthaltsort erfuhr. Alodia kehrte im November
1947 nach Polen zurück. Es begann für sie eine schwierige Zeit der Repolonisierung: das Wieder-Erlernen der Muttersprache und die Rückkehr in eine fast vergessene Familie.