Die vielfältig in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) ehrenamtlich engagierte Bad Homburgerin Bettina Kratz hat am Samstag (2. November) ihren 90. Geburtstag begangen. Auf ihre Initiative hin hatte die EKHN vor fast 30 Jahren das Verhältnis zum Judentum völlig neu bestimmt. Durch ihren Einsatz nahm die hessen-nassauische Kirche nach einer intensiven Debatte in der Synode 1991 einen Passus in ihre Grundordnung auf, die die Verbundenheit zum Judentum klar benennt. Für dieses Engagement wurde sie Im Jahr 2000 mit der Martin-Niemöller-Medaille ausgezeichnet, der höchsten Würdigung der EKHN.
Anerkennung bis in Wissenschaft
Nach Worten des Präses der EKHN-Kirchensynode, Ulrich Oelschläger, sei die Änderung des Grundartikels der EKHN „im Wesentlichen der Initiative und der Durchsetzungskraft von Bettina Kratz zu verdanken“. Damit sei innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) „ein Zeichen gesetzt worden, dem inzwischen viele Landeskirchen und die EKD gefolgt seien. Dabei sei es der Jubilarin zusammen mit dem Theologischen Ausschuss der Kirchensynode gelungen, „eine kompakte und schlüssige Formulierung zu finden, die betont, dass der Glaube an Jesus Christus das Bekenntnis zur bleibenden Erwählung der Juden einschließt und in Konsequenz dazu zum Verzicht auf jede Form der Judenmission führt“. Oelschläger: „Damit verdanken wir Bettina Kratz die Grundlage für all unsere weiteren öffentlichen Äußerungen über unser Verhältnis zum Judentum“. Dazu gehöre die Distanzierung von Luthers späten Judenschriften oder eine Resolution gegen den wachsenden Antisemitismus. Bettina Kratz habe damit „weit über unsere Landeskirche hinaus deutliche Spuren hinterlassen, die auch bei unseren jüdischen Geschwistern und nicht zuletzt in der theologischen Wissenschaft hohe Anerkennung gefunden haben“, so Oelschläger.
Vorbild für alle Frauen
Die Stellvertretende Kirchenpräsidentin der EKHN, Ulrike Scherf, bezeichnete es als „überaus weitsichtigen Impuls von Bettina Kratz, die bleibende Erwählung der Juden und Gottes Bund mit ihnen in den Grundartikel unserer Kirche aufzunehmen“. Auch mit ihrem „Engagement in der Gesellschaft für jüdisch-christliche Zusammenarbeit unterstrich sie die Verbundenheit und Solidarität mit allen Jüdinnen und Juden“, so Scherf. Angesichts des zunehmenden Antisemitismus sei die Initiative von Kratz von „grundlegender Dimension und zugleich erschreckender Aktualität“. Gleichzeitig habe sich Kratz in ihrer ehrenamtlichen Arbeit beispielsweise in der Kirchensynode der EKHN stets als „kluge, starke und mutige Frau gezeigt“. Sie seid deshalb bis heute ein „Vorbild für viele Frauen, die sich aktiv in die Gestaltung der EKHN eingebracht und unsere Kirche mitgeprägt haben.“
Zur Person
Bettina Kratz wurde am 2. November 1929 in Pommern geboren. Nach dem Krieg studierte sie Mathematik und Theologie. Danach arbeitete sie als Pädagogin und war mehr als 40 Jahre lang Lehrerin für Mathematik und Religion sowie Studiendirektorin an der Bad Homburger Humboldtschule. 1959 begann ihr intensives ehrenamtliches Engagement in der evangelischen Kirche mit der Wahl in den Kirchenvorstand der Bad Homburger Erlöserkirchengemeinde. Wenig später wurde sie in die Dekanatssynode gewählt, wo sie zeitweise den stellvertretenden Vorsitz übernahm. In der Kirchensynode der EKHN war sie von 1984 bis 1991 Mitglied. Sie engagierte sich zudem intensiv in der Evangelischen Akademie Arnoldshain, wo sie mehr als 20 Jahre lang Mitglied in den Entscheidungsgremien Kleinen Konvent und Großer Konvent war. Ein wichtiges Thema war für sie stets die Beschäftigung mit dem jüdischen Glauben. So engagierte sie sich unter anderem in der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Für ihr vielfältiges Engagement auch über die Kirche hinaus erhielt sie 2012 das Bundesverdienstkreuz am Bande.
via EKHN