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Vergangenheit als Mahnung, Zukunft als Hoffnung: Delegation des IBB in Minsk

Eine Delegation von Kirchenvertretern und Mitgliedern des Kuratoriums des Internationalen Bildungs- und Begegnungswerks e.V. (IBB) reiste für fünf Tage nach Minsk, um an den Gedenkveranstaltungen anlässlich der Liquidierung des Minsker Ghettos vor 80 Jahren teilzunehmen.

Kranzniederlegungauf dem Gelände des ehemaligen Minsker Ghettos

Am 23. Oktober 1943 wurde das Minsker Ghetto aufgelöst und die letzten Jüdinnen und Juden ermordet. Über 100.000 jüdische Menschen aus Minsk, Belarus und verschiedenen Teilen Westeuropas wurden hier interniert und schließlich getötet. Nur wenige überlebten.

Gedenken an die Opfer

Die zentrale Gedenkveranstaltung fand am Denkmal der ehemaligen Erschießungsstätte auf dem Gelände des Minsker Ghettos, der "Jama" (Grube), statt. Hier wurden am 2. März 1942 etwa 5.000 Jüdinnen und Juden aus dem Ghetto, darunter viele Kinder, ermordet. Kränze wurden an der Gedenkstätte niedergelegt, darunter auch ein Kranz im Namen der Evangelischen Kirche von Hessen und Nassau (EKHN), um den Opfern des Holocaust zu gedenken.

Hessischer Gedenkstein erinnert an Deportation

Ein paar Straßen weiter liegt das Gelände des jüdischen Friedhofs. Dort erinnern mehrere Gedenksteine an Jüdinnen und Juden, die nach Minsk deportiert und im unweit gelegenen Lager Malyj Trostenez und Blagowschtschina ermordet wurden. Einer der Gedenksteine wurde von der Stadt Frankfurt und der EKHN errichtet. Er erinnert an die mehr als 1.000 Jüdinnen und Juden, die im November 1941 von Frankfurt aus mit dem Zug nach Minsk deportiert und in Blagowschtschina – damals eine Waldlichtung in der Nähe von Minsk – ermordet wurden. In 34 Gruben ruhen dort die Überreste der meisten der über 22.000 deportierten Jüdinnen und Juden aus West- und Mitteleuropa, sowie unzähliger Opfer aus Belarus, die dort hingerichtet wurden.

Gedenkstätte als Symbol der gemeinsamen Verantwortung

Die Gedenkstätte Malyi Trostenez und Blagowschtschina wurde 2018 im Beisein von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eingeweiht, als Teil der Delegation des Bundespräsidenten nahm auch Kirchenpräsident Volker Jung teil. „Dass dies heute eine Gedenkstätte ist, das war uns allen ein großes Anliegen, für das wir uns an unseren jeweiligen Orten und in unseren unterschiedlichen Verantwortlichkeiten eingesetzt haben“, betonte Ökumenereferent Detlev Knoche beim Besuch des Gedenkortes.

Engagement für Überlebende der Zwangsarbeit

Der Aufenthalt in Minsk bot auch Gelegenheit zwei Projektpartner zu besuchen, die die EKHN im Rahmen der Aktion „Hoffnung für Osteuropa“ unterstützt: die nicht-staatliche internationale Organisation "Verständigung" und das Kinderzentrum Nadeshda. Im Büro des Projektpartners „Verständigung“ kam es zur Begegnung mit drei weit über 80 Jahre alten Damen. Sie wurden als Jugendliche zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert oder wurden während der Zeit der Zwangsarbeit ihrer Mütter in Deutschland geboren. Heute nehmen sie an dem Programm „In Würde alt werden“ teil, das von der EKHN finanziell unterstützt wird.

Gemeinschaft, Erinnerung und Unterstützung

Die regelmäßigen Treffen, die Teilnahme an Malkursen und Schreibwerkstätten geben ihnen Gelegenheit sich zu erinnern und die traumatischen Erlebnisse der Zwangsarbeit zu verarbeiten. Gemeinsam machen sie touristische Ausflüge, treffen sich zum Nordic Walking, besuchen alte, kranke oder behinderte Menschen, die nicht mehr zu den Treffen kommen können und erhalten notwendige medizinische Versorgung. Die Wurzeln der Unterstützung liegen in einem „Apothekenprojekt“ in Minsk mit dem die EKHN über viele Jahre die Versorgung ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern mit benötigten Medikamenten gefördert hat.

Hoffnung und Heilung für Kinder

Das Kinderheim Nadeshda, etwa 80 km nordwestlich von Minsk am Wilejkasee gelegen, ist seit 1994 ein Modellprojekt zur Erholung und Rehabilitation von Kindern, die in den noch immer durch die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 stark radioaktiv belasteten Gebieten im Südosten von Belarus leben. Jährlich kommen rund 6.000 Kinder und Jugendliche in das Heim, um durch Kur- und Erholungsaufenthalte Heilung und Unterstützung zu finden. Es ist ein international getragenes Projekt das unter anderem vom deutschen Verein „Leben nach Tschernobyl“ unterstützt wird. Dem Verein gehören auch einige Initiativen im Bereich der EKHN an.

Umfassende Betreuung und Attraktionen

Die moderne Ausstattung, das hochkompetente Fachpersonal und eine engagierte Leitung machen die Einrichtung weit über die Region hinaus bekannt und attraktiv. Mittlerweile kommen auch Kinder und junge Menschen zu Kuraufenthalten, die mit den Folgen einer Polioerkrankung leben oder Menschen, die auf Grund ihrer Einschränkungen auf einen Rollstuhl angewiesen sind. Ein moderner Kletterpark und Hochseilgarten lockt an den Wochenenden Familien aus der Region an und bringt zusätzliche Einnahmen. In den Sommerferien werden zusätzliche Freizeiten für junge Menschen angeboten und es sind täglich bis zu 800 Teilnehmende auf dem Gelände. Ein neues Hallenbad mit weiteren therapeutischen Abteilungen und moderner Ausstattung wartet darauf, von der staatlichen Behörde an Nadeshda übergeben und endlich genutzt zu werden.

Fazit: Historische Verantwortung und Unterstützung der Zivilgesellschaft

Detlev Knoche, der auch das Zentrum Oekumene in Frankfurt am Main leitet, fasste den Besuch zusammen: „Die Besuche der Gedenkstätten und des ehemaligen jüdischen Friedhofs, die Begegnungen mit den Projektpartnern von ‚In Würde alt werden‘ und im Kinderheim Nadeshda sowie die Teilnahme an einem Gebet für den Frieden in Israel im Zentrum des progressiven Judentums in Minsk haben den Zusammenhang zwischen geschichtlicher Verantwortung und der Bedeutung der gegenwärtigen Unterstützung der Zivilgesellschaft deutlich gemacht.“

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