Wir nehmen Abschied von Pfarrerin Rosalind Gnatt, die am 5. April 2025 im Alter von 72 Jahren verstorben ist. Mit ihr verlieren wir eine inspirierende, leidenschaftliche und warmherzige Frau, die als erste Pfarrerin der United Church of Christ innerhalb der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) wirkte – und die dabei Kirche neu gedacht und gelebt hat.
Geboren und aufgewachsen in Florida, führte Rosalind Gnatts Weg sie zunächst als Sopranistin auf die Bühnen großer Opernhäuser in Washington und New York. Ihre Liebe zur Musik blieb zeitlebens prägend – später brachte sie diese mit Leidenschaft in ihre Gottesdienste ein. Doch zunächst ging sie weiter in eine andere Richtung: erst mit über 50 Jahren kehrte sie ihrer zweiten Karriere als erfolgreiche Immobilienmaklerin den Rücken und folgte dem inneren Ruf zur Theologie. 2015 wurde sie in der Judson Memorial Church in New York City ordiniert – mitten im eisigen Februar.
Im letzten Semester ihres Theologiestudiums erfuhr Gnatt von der Partnerschaft zwischen der UCC und der EKHN. Bis dahin hatten ausschließlich junge deutsche Theolog*innen ein Spezialvikariat in den USA absolviert. Der umgekehrte Weg scheiterte oft an Sprachbarrieren – doch Rosalind Gnatt sprach fließend Deutsch und kannte die Rhein-Main-Region gut. Mit 19 Jahren war sie ihrem Mann, einem Soldaten der US-Streitkräfte, für einige Jahre nach Deutschland gefolgt und hatte in Mainz gewohnt.
Als sie dies ihrem Professor erzählte, nahm dieser sofort Kontakt zur EKHN auf. So kam sie zur Bergkirche, zunächst als Vikarin – und blieb. Besonders Wiesbaden wurde ihre geistliche Heimat. In der Bergkirche fand sie nicht nur ein Zuhause, sondern auch eine Aufgabe, die sie mit Hingabe erfüllte.
Rosalind Gnatt war Pionierin: Mit großem Engagement baute sie das English Community Outreach Project mit auf – ein Gottesdienstangebot in englischer Sprache, das Menschen aus aller Welt in Wiesbaden zusammenführte. Ihre Dinner-Church-Gottesdienste rund um den gemeinsamen Tisch, die zweisprachigen Predigten und das bewusste Einbeziehen weiblicher Perspektiven in die Bibelauslegung waren Ausdruck ihres tiefen Wunsches, Kirche als offenen, inklusiven Raum zu gestalten.
Ihr theologischer Blick war ebenso empathisch wie klar: eine Kirche, die sich den Verwundeten zuwendet, eine Sprache, die Zärtlichkeit statt Macht betont. Sie wollte Verbindungen schaffen – zwischen Kulturen, zwischen Konfessionen, zwischen Menschen. Auch jenseits der Bergkirche war sie in der Region aktiv, hielt Taufen, Trauungen und Beerdigungen auf Englisch, organisierte Sing-Alongs und Bibelkreise.
Ihr Leben war reich an Stationen: Opernsängerin, Mutter, Maklerin, Pfarrerin. Doch was all diese Rollen verband, war ihre tiefe Freude am Leben, ihre Liebe zur Musik, ihr unerschütterlicher Glaube – und die Bereitschaft, immer wieder neu aufzubrechen.
Rosalind Gnatt hat Spuren hinterlassen – in den Herzen der Menschen, in der Bergkirche, in der EKHN. Wir sind dankbar für alles, was sie gegeben hat, und werden sie in liebevoller Erinnerung behalten. „Gott ist mein Lied“ – unter diesem Motto stand der erste Gottesdienst, den sie in der Wiesbadener Bergkirche besuchte. Möge dieses Lied nun in Ewigkeit für sie weiterklingen.
Die Trauerfeier ist am Freitag, 16. Mai, um 14 Uhr in der Wiesbadener Bergkirche. Der anglikanische Pfarrer Christopher Easthill von St. Augustines und die Bergkirchenpfarrer Helmut Peters und Markus Nett gestalten den Gottesdienst.