Am 19. Februar jährte sich der Anschlag von Hanau, bei dem neun Menschen aus rassistischen Motiven ermordet wurden, zum zweiten Mal. „Diese Tat hat Wunden gerissen und unser Land und unser Zusammenleben verändert“, sagt die Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW), Dr. Beate Hofmann. Die EKKW will Erinnerungen und Emotionen einen Ort geben – und sie will aktiv zur Überwindung von Gewalt und Rassismus beitragen. „Im Rahmen unserer Mitarbeit in der Initiative ‚Offen für Vielfalt – Geschlossen gegen Ausgrenzung‘ haben wir Gemeinden ermutigt, den Jahrestag zu gestalten und dafür Materialien entwickelt“, erläutert die Bischöfin. So werden auch in Gottesdiensten die Themen Rechtsextremismus und Rassismus aufgegriffen.
Der Evangelische Kirchenkreis Hanau setzte im Rahmen des Gedenkens gemeinsam mit dem Muslimischen Arbeitskreis ein Zeichen für eine offene, tolerante Gesellschaft. Unter dem Motto «Klage und Hoffnung für Hanau» waren den ganzen Samstag über Passanten an verschiedenen Orten dazu eingeladen, ihre Gefühle und Gedanken aufzuschreiben und an Stellwänden öffentlich zu hinterlassen.
Die überwiegend positive Resonanz, im Vorfeld und während der Aktion, sei für die Akteure ein ermutigendes Zeichen und Ansporn zugleich, so Dekan Dr. Lückhoff (Kirchenkreis Hanau). Viele Pfarrerinnen und Pfarrer seien aus dem Kirchenkreis nach Hanau gekommen, um Passanten die Gedenkaktion nahe zu bringen. Sie hätten zahlreiche Gespräche geführt, zahlreiche Klagen und hoffnungsvolle Anmerkungen entgegen genommen oder einfach nur zugehört. Für den Muslimischen Arbeitskreis Hanau beteiligten sich an der Betreuung überwiegend jungen Frauen und Männer, die in der Jugendarbeit engagiert sind.
Eine Aktion, zwei Orte, viele Klagen…
Klage, Dank und Ausblick seien Elemente jeden Gebets, erläuterte Dr. Lückhoff. Die Gedenkaktion sei ein Angebot für Hanau, sich zu erinnern, zu gedenken und einen Ausblick zu wagen. Die Menschen hätten das Angebot unterschiedlich wahrgenommen: einige schrieben, manche schauten nur oder wieder andere gingen weiter. «Aber wirklich Ausblenden konnte es niemand», so der Dekan. Deutschlandweit werde das Attentat in Hanau als eine Zäsur begriffen und nicht nur hier stelle sich die Frage, wie eine Stadtgesellschaft künftig zusammenleben will. Vielfalt bedeute auch, sich die Unterschiede bewusst zu machen. Und das Zusammenleben müsse von gegenseitigem Respekt getragen sein, so Dr. Lückhoff.
Wie vielfältig Hanau ist, das spiegelten bereits die beiden Orte der Gedenkaktion wider. Am Rande des Marktgeschehens zeigen sich sehr viele Passanten interessiert, die Gespräche seien eher kurz gewesen. Ganz anders das Bild am Kurt-Schuhmacher-Platz in Kesselstadt: Dort in unmittelbarerer Nähe des Anschlag- und Gedenkortes, an dem Blumen niedergelegt werden, sei die Schreckensnacht sehr präsent. Hier hätten sich sehr viele junge Menschen am Aktionsstand versammelt, es sei erstaunlich ruhig und besinnlich gewesen, die Gespräche tiefgründiger, ernster.
Viele der Opfer waren im Jugendzentrum JUZ k.town in Hanau-Kesselstadt regelmäßig zu Gast. Das JUZ ist damit auch zu einem Ort geworden, an dem Trauer verarbeitet aber auch Gemeinschaft erlebt werden kann. Das JUZ k.town ist seit 1980 in Trägerschaft der Ev. Kirche und eine gemeinsam mit der Stadt Hanau.
Blick nach vorne
Zum Jahrestag rücken verstärkt Fragen in den Mittelpunkt: Wie kann man der Opfer gedenken? Wie kann man gegen Rechtsextremismus und (Alltags-)Rassismus kämpfen? Wie kann man die Demokratie stärken und für demokratische Werte werben? Vor einem Jahr ist die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck der Initiative «Offen für Vielfalt - Geschlossen gegen Ausgrenzung» beigetreten.
via EKKW