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Jüdischer Zentralrats-Präsident Schuster sieht Kirchen als „starke Partner“ in Deutschland

1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland ist am Reformationstag der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) Thema

Das Bild zeigt: Stellvertretende EKHN-Kirchenpräsidentin Ulrike Scherf, EKHN-Kirchenpräsident Jung und Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden

gestalteten den Gottesdienst und Festakt maßgeblich mit (von links): Die Stellvertretende Kirchenpräsidentin Ulrike Scherf, Kirchenpräsident Jung und Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat eine stärkere Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte und den Verbrechen des Nationalsozialismus angemahnt. „Eine historische Aufarbeitung, wie sie an der Spitze der beiden christlichen Kirchen geleistet wurde, vermisse ich in der Breite der Gesellschaft“, sagte er am 31. Oktober anlässlich der Reformationsfeier der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) in Wiesbaden. Er sehe auch an der christlichen Basis und in einzelnen Kirchengemeinden weiter Handlungsbedarf. „Vor allem aber sehe ich große Defizite in der Gesellschaft“, so Schuster. Umfragen belegten immer wieder „große Lücken und Kennnisse“ an den nationalsozialistischen Verbrechen. Vor allem für jüngere Menschen und für die wachsende Einwanderungsgesellschaft in Deutschland müsse eine „Erinnerungskultur neue Formen finden“. Die künftige Bundesregierung könne dazu die Arbeit der Gedenkstätten fördern, damit sie den neuen Ansprüchen gewachsen blieben, sagte Schuster.

Schuster: „Antisemitismus bereitet große Sorgen“

Der Zentralrats-Präsident ging in seinem Gastvortrag in der Wiesbadener Lutherkirche auf den wachsenden Antisemitismus ein, „der uns große Sorgen bereitet“. Schuster: „Antisemitismus und Rassismus sind die Todfeinde der Demokratie. Sie zielen zunächst auf Minderheiten. Gemeint ist aber unsere offene Gesellschaft.“ Schuster kritisierte zudem einen zunehmenden „israelbezogenen Antisemitismus“, der sich auch in kirchlichen Gruppen fände. Diese Form sei aber auch für Juden in Deutschland „unerträglich“. Nach seinen Worten empfinden alle Juden eine „existenzielle Verbundenheit“ mit Israel. Schuster: „Ihre Anteilnahme an den Geschicken des Landes ist geprägt von der bis heute bestehenden existenziellen Gefährdung des Landes sowie der Tatsache, dass Israel im Extremfall auch eine Zuflucht für uns alle bedeutet.“ Zugleich sei es wichtig, „starke Partner“ zu haben „um in Sicherheit in Deutschland leben zu können. „Und wir brauchen die Kirchen als Partner an unserer Seite. Ihr Rückhalt in den vergangenen Jahren war wichtig und wird es in Zukunft noch mehr sein.“

Zentralratspräsident gilt als wichtiger gesellschaftlicher Mahner

Die EKHN hatte das Thema 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland in den Mittelpunkt ihrer diesjährigen zentralen Reformationsfeier in der Wiesbadener Lutherkirche gestellt und den Präsidenten des Zentralrats der Juden zu einem Vortrag eingeladen. Es war nach Angaben von Josef Schuster das erste Mal, dass er am Reformationstag in einer Kirche sprach. Schuster steht seit 2014 an der Spitze des Zentralrats der Juden in Deutschland. Der Mediziner ist auch Vizepräsident des World Jewish Congress und des European Jewish Congress. Schuster wurde 1954 in Haifa (Israel) geboren. Seine Eltern kehrten 1956 nach Deutschland zurück. Er lebt heute in Würzburg. Schuster gilt als wichtiger gesellschaftlicher Mahner, der die Erinnerung an die Schoa wach hält, um daraus für die Zukunft der freiheitlichen Demokratie Lehren zu ziehen. Für sein Engagement erhielt er zuletzt das Bundesverdienstkreuz. 

Kirchenpräsident Jung: Christentum unauflöslich mit dem Judentum verbunden

In seiner Predigt im Festgottesdienst stellte der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung die enge Verbindung des Christentums mit dem Judentum heraus. Die heiligen Schriften des Judentums seien „gleichzeitig auch ein wesentlicher Teil unserer Bibel“. So gäben etwa die Psalmen „dem Glauben eine Sprache“. Als Beispiel nannte Jung den 46. Psalm, den der Reformator Martin Luther in seinem Lied „Ein feste Burg ist Gott“ verarbeitete. Jung verwies darauf, dass die Psalmen „Worte Israels“ seien, die auch Christinnen und Christen beteten. Die Psalmen seien die Gebete, die auch Jesus gebetet habe. Er führe Menschen, die an ihn glauben „zu dem Gott Israels“ und nähme sie „hinein in sein Vertrauen, seinen Glauben, seine Hoffnung.“ Auf diese Weise blieben Christinnen und Christen unauflöslich  mit dem jüdischen Glauben verbunden.

Gewachsenes Vertrauen im jüdisch-christlichen-Dialog

Jung erinnerte auch an die antijüdischen Schriften und Äußerungen Martin Luthers. Sie hätten eine „verhängnisvolle Wirkungsgeschichte bis hin zur nationalsozialistischen Ideologie und damit bis zur Schoa“ gehabt. Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau und die Evangelische Kirche in Deutschland sähen dies heute „sehr klar“. Nach Ansicht Jungs ist es deshalb wichtig gewesen, sich anlässlich des 500. Jahrestags der Reformation 2017 „deutlich von diesen Texten Luthers zu distanzieren“.  Heute sei beispielsweise mit den jüdischen Gemeinden in Hessen „Vertrauen in vielen Begegnungen und Gesprächen in den letzten Jahren und Jahrzehnten gewachsen“.

Präses Oelschläger: Erinnerungskultur ohne Zeigefinger

Der Präses der hessen-nassauischen Kirchensynode, Ulrich Oelschläger würdigte den Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, in seiner Moderation als wichtigen Mahner für eine „Erinnerungskultur ohne Zeigefinger“. Er hielte der Gesellschaft „immer wieder prägnant den Spiegel vor, wenn die Prinzipien einer freiheitlichen Demokratie bedroht seien“. Zudem besteche Schuster durch eine besondere Leidenschaft für den Dialog, die er beispielsweise durch die Annahme der Einladung der evangelischen Kirche zum Reformationstag gezeigt habe. Oelschläger erinnerte als „Bürger einer der drei nun zum Unesco Weltkulturerbe gehörenden SchUM-Städte, Worms“, auch daran, wie dort Brüche aber auch und ein „harmonisches Zusammenleben“ die 1700jährige Geschichte des Judentums in Deutschland gekennzeichnet hätten.

Gottesdienst auch online und mit außergewöhnlicher Musik

Die Reformationsfeier wurde auch live im Internet auf www.ekhn.de gezeigt. Die Liturgie im Festgottesdienst gestalteten unter anderem Stellvertretende Kirchenpräsidentin Ulrike Scherf und Lutherkirchen-Pfarrerin Ursula Kuhn. Der katholische Stadtdekan Wiesbadens Klaus Nebel sowie Dorothee Dziewas von der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Wiesbaden und viele weitere wirkten mit. Das interkulturelle Asambura Ensemble spielte Ausschnitte aus der zeitgenössischen Komposition „Missa Melasurej“, die verschiedenste Traditionen vereint. Der Bachchor und der Kammerchor Wiesbaden unter der Leitung von Kantor Niklas Sikner begleiteten die Feier ebenfalls musikalisch. Die Moderation des Abends übernahm der Präses der EKHN-Kirchensynode Ulrich Oelschläger.

Hintergrund zur Reformationsfeier

Am 31. Oktober erinnern Protestantinnen und Protestanten in aller Welt an den Beginn der Reformation durch Martin Luther im Jahr 1517 und die Entstehung der evangelischen Kirche. Zum 27. Mal veranstaltet die EKHN einen Festakt am Reformationstag. Bei der Feier blickt eine bekannte Persönlichkeit mit ihrer besonderen Sicht auf das protestantische Profil in der Gesellschaft. Bislang zählten unter anderem der frühere DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière, die ZDF-Moderatorin Gundula Gause oder der langjährige ARD-Korrespondent in Brüssel, Rolf-Dieter Krause, zu den Referenten.

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