Zwei Monate nach den Erdbeben ist die Lage in der betroffenen Region in der Türkei zwar stabil, aber es fehlt vielerorts an Hilfe. „Die meisten Menschen, die obdachlos geworden sind, leben in Camps unter schlechten hygienischen Bedingungen“, berichtet Gernot Ritthaler, Nothilfe-Koordinator von Caritas international. Der Sprecher der Diakonie Katastrophenhilfe weist auf die schwierige Lage syrischer Flüchtlingsfamilien hin: „Es gibt Fälle von Diskriminierungen und viele könnten gezwungen sein, in den kommenden Tagen wieder in das Erdbebengebiet zurückkehren zu müssen“, sagt Tommy Ramm.
Eine Ausnahmeregelung für syrische Kriegsflüchtlinge, die ihnen nach den Erdbeben erlaubt hatte, sich frei in der Türkei zu bewegen, könnte in den nächsten Tagen auslaufen. Die am 7. Februar erlassene Regelung sah zunächst 90 Tage vor und wurde wenige Tage später auf 60 Tage beschränkt. Ein Ende der Regelung könnte nun zehntausende Menschen zwingen, in die vom Erdbeben zerstörten Gebiete zurückzukehren, in denen sie registriert sind.
„Dabei haben wir hier ein Dach über dem Kopf und alles, was wir brauchen. In Hatay dagegen ist alles zerstört“, sagt der 58-jährige Rami Khatip. Er konnte seine Frau, seinen Sohn und eine Enkeltochter verletzt aus den Trümmern retten. Die Familie fand in der rund fünf Autostunden entfernten Stadt Sanliurfa eine bescheidene Wohnung. Unterstützt werden sie von Hayata Destek (Support to Life STL), der lokalen Partnerorganisation von Diakonie Katastrophenhilfe und Caritas international. Seine Enkeltochter brauche nach mehreren Operationen dringend physiotherapeutische Behandlungen, die sie nur hier verlässlich erhalten kann. „Wenn wir nach Hatay zurückkehren müssen, weiß ich nicht, wie wir das bewältigen sollen“, sagt Rami voll Verzweiflung. Zwei Angehörige hatte seine Familie beim Erdbeben verloren.
„Ein wichtiger Schritt wäre die längerfristige Aufhebung der Reisebeschränkung für syrische Geflüchtete in der Türkei“, sagt Tommy Ramm. Denn bei der aktuellen humanitären Notlage sei es in keiner Weise gerechtfertigt, dass Menschen in die Regionen zurückkehren müssen. „Eine syrische Familie berichtete von Diskriminierungen und Anfeindungen. Sie haben das Dorf in Hatay verlassen, um dem zu entgehen und den Einwohnern nicht zur Last zu fallen. So richtig die Aufhebung der Beschränkung am 7. Februar war, so wichtig ist deren weitere Aussetzung, da sich an der Lage vor Ort wenig geändert hat“, so Ramm.
Schätzungsweise 2,4 Millionen Menschen sind auf türkischer Seite des Erdbebengebiets in Zeltcamps untergekommen, zwei Drittel von ihnen leben in informellen Camps. „Die Hygienebedingungen sind prekär und viele Menschen haben Probleme, an ausreichend Trinkwasser und Wasser für den täglichen Bedarf zu kommen“, sagt Gernot Ritthaler von Caritas international. Dies müsse dringend gelöst werden, da es in den kommenden Wochen und Monaten in der Region sehr heiß werde.
Zudem bestehe das Problem, dass für die meisten Menschen mit dem Erdbeben jegliche Einkünfte weggebrochen sind. „Viele Arbeitsstätten und Geschäfte existieren nicht mehr, die Menschen sind jetzt völlig mittellos“, erklärt Gernot Ritthaler vom Hilfswerk des Deutschen Caritasverbandes. Dies sei ein riesiges Problem, wie insgesamt der gesamte Wiederaufbau. „Es wird noch sehr lange dauern, bis die Menschen in Wohnungen zurückkehren können und auch die Wirtschaft wieder für Arbeit sorgen kann.“ Bagger und oft auch Freiwillige reißen die eingestürzten Häuser ab und beseitigen die riesigen Trümmerfelder. Der Krisenkoordinator von Caritas international glaubt nicht, dass die Türkei diesen Wiederaufbau allein schultern könne. „Auch wenn die türkische Regierung und insbesondere die betroffenen Gemeinden tun, was sie können, ist dafür internationale Hilfe nötig, genauso wie auch wir noch lange werden helfen müssen.“
Die Diakonie Katastrophenhilfe und Caritas international fördern gemeinsam ein Nothilfeprojekt mit Hayata Destek. Die türkische Hilfsorganisation verteilt in bisher vier betroffenen Provinzen Hygieneartikel, Zelte und Decken an Betroffene. Zusätzlich werden Wassertanks, Latrinen und Duschkabinen in informellen Zeltcamps installiert, um die Hygienesituation zu verbessern. Spezialisierte Teams leisten psychosoziale Hilfe, damit die traumatischen Erlebnisse verarbeitet werden können. Fast 10.000 Menschen wurden in den vergangenen zwei Monaten erreicht.
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