Innehalten, ohne zu verharren: Über den Tag der Trauer und des Gedenkens an die Opfer des rassistischen Attentats von Hanau hinaus tritt die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW) für eine offene und vielfältige Gesellschaft ein. „Offen für Vielfalt – Geschlossen gegen Ausgrenzung“: So war der Gedenkgottesdienst in der Hanauer Marienkirche am Sonntag in Anlehnung an jene Initiative überschieben, der die EKKW kürzlich beigetreten ist. Per Livestream wurde der Gottesdienst, der coronabedingt nur mit wenigen Besucherinnen und Besuchern stattfinden konnte, ins Internet übertragen. Das Video ist unter www.ekkw.de weiterhin abrufbar.
Kritisch mit eigenen Vorurteilen umgehen
„Erschüttert ist das Leben in dieser Stadt, erschüttert ist vor allem das Lebensgefühl der Menschen, die durch das Attentat am 19. Februar 2020 einen lieben Menschen verloren haben“, sagte Bischöfin Dr. Beate Hofmann. Auch im Predigttext (Johannes 13) ging es um Erschütterungen. Er erzählt von der Ankündigung Jesu, dass ihn einer seiner Freunde verraten wird und damit von dem, „was erschüttertes Vertrauen, was Verrat und Hass mit Menschen macht“, so Bischöfin Hofmann.
Herr, wer ist‘s? – Herr bin ich‘s? „Diese Frage richtet den Finger nicht auf andere, sondern auf uns selbst“, bemerkte Hofmann. Darum sei diese Frage auch der Dreh- und Angelpunkt für die Initiative „Offen für Vielfalt – Geschlossen gegen Ausgrenzung“: „Denn wenn wir offen für Vielfalt sein wollen, müssen wir uns ehrlich machen über unsere eigene Verstrickung in rassistisches Denken und rassistische Strukturen. Dann müssen wir uns kritisch mit eigenen Vorurteilen, mit Stereotypen, mit herabwürdigender Sprache und Denkmustern auseinandersetzen“, folgerte Bischöfin Hofmann. „Das mutige Eintreten gegen Rassismus, von dem so viel zu hören ist in diesen Tagen, das beginnt bei uns selbst.“
In Christus sind Unterschiede aufgehoben
Die christliche Kirche basiere auf der Vision, dass in Christus die Unterschiede, die Menschen voneinander trennen und zu Ungerechtigkeit führen, aufgehoben würden – „Unterschiede in Religion, Kultur, sozialem Status, Geschlecht“, erläuterte Bischöfin Hofmann und ergänzte: „Das ist das Fundament, von dem aus wir als Kirche „offen für Vielfalt – geschlossen gegen Ausgrenzung“ werden können, das ist die Vision, auf die hin wir an Ängsten, an Vorurteilen, an rassistischen Denkmustern arbeiten können.“
Geschlossen gegen Ausgrenzung auftreten
Dabei reiche es nicht, offen für Vielfalt zu sein und an den eigenen Vorurteilen und Fremdheitsgefühlen zu arbeiten. „Angesichts von Verschwörungsdenken und Hasskommentaren im Internet „braucht es auch das andere: geschlossen gegen Ausgrenzung auftreten. Es braucht das gemeinsame Eintreten für Demokratie, für Zusammenhalt, es braucht Unterstützung für die, die eingeschüchtert werden“, betonte die Bischöfin. Kirche sei von Beginn an eine bunte Gesellschaft gewesen – Reiche und Arme, Europäerinnen und Asiaten, Juden und Griechen, Männer und Frauen: „In Christus wurden sie eins.“
„Kirche als Nachfolgegemeinschaft des Gekreuzigten und Auferstandenen will um Gottes und ihrer selbst willen Vielfalt zeigen“, ergänzte Dr. Martin Lückhoff. Neben dem Hanauer Dekan waren auch Pfarrerin Heike Mause sowie Kirchenvorsteherin Dr. Stefanie Keilig an dem stimmungsvollen Gottesdienst beteiligt. Für die musikalische Ausgestaltung sorgten Kantor Christian Mause an der Orgel und am Klavier sowie Sopranistin Christina Schmid und Bariton Frank Hagelstange. Die Feier des Gottesdienstes sollte „ein Beitrag zum gelebten Frieden“, sein, so Pfarrerin Mause. Unter den Teilnehmenden war auch der Hanauer Imam Mustafa Macit Bozkurt.
Weitere Eindrücke vom Gedenken in Hanau sowie die Möglichkeit, auf digitalem Wege Mitgefühl und Verbundenheit auszudrücken, gibt es auf www.ekkw.de