In Indien wächst der Druck auf die Minderheiten, vor allem auf Muslime und Christen, darüber informiert Pfarrer Dr. Johny Thonipara vom Zentrum Oekumene der EKHN und EKKW. Anlass ist der Sonntag Reminiszere am 28. Februar 2021, bei dem in Gottesdiensten an die weltweit verfolgten Christinnen und Christen erinnert wird. Der gebürtig aus Indien stammende Johny Thonipara ist mit der Pflege der Partnerschaftsbeziehungen der EKHN zu den Kirchen im asiatischen Raum betraut.
Kirche von Gottesdienst-Verboten betroffen
Besorgt nimmt der Asien-Referent wahr, dass in Indien christlichen Kirchen und Institutionen besonders stark kontrolliert werden. „Es wird von gewaltsamen Attacken gegen Christinnen und Christen in Indien berichtet. Kirchen werden zerstört, Bibeln werden verbrannt, Menschen werden lebendig verbrannt“, so schildert der Pfarrer die Lage in einem Bericht. Johny Thonipara hat erfahren: „Es gibt manchmal Gottesdienst-Verbote für Christen. Christen können manche religiöse Veranstaltung nicht mehr durchführen. So z. B. musste eine kirchliche Veranstaltung unter den Ureinwohnern in einer Gemeinde in Südindien wegen Drohungen von Hindugruppen abgesagt werden.“ Um Konflikte zu vermeiden, empfehle die Polizei, die entsprechenden Veranstaltungen abzusagen, um die öffentliche Ordnung zu wahren.
Hindunationalisten drohen mit Konflikten
Vor allem Hindunationalisten üben Druck auf Christinnen und Christen aus. Mit einer Kampagne möchte diese Gruppe gerade Christen und Muslime zum Hinduismus bekehren. Denn in der Vergangenheit hatten sich vor allem die Ureinwohner und die Dalits, die „Unberührbaren“, für den Islam oder das Christentum entschieden – diese Entwicklung wollen Hindunationalisten nun wieder rückgängig machen.
Verschlechterung der Religionsfreiheit in Indien
Auch die «Kommission der Vereinigten Staaten für internationale Religionsfreiheit» (USCIRF) stellte 2020 eine drastische Verschlechterung der Situation der Religionsfreiheit in Indien fest. Es wird von Aufstachelung zur Gewalt, strafloser Gewalt und Hassreden gegen Minderheiten berichtet.
Hintergrund
In Indien gibt es keine systematische Verfolgung der Christen durch den Staat. Die Hindu-Nationalisten schikanieren und provozieren Christen. Christen sind eine kleine verwundbare Minderheit in Indien, die oft über ihre Lage besorgt sind und in einer Atmosphäre von Angst leben. Die Antikonversionsgesetze in einigen Bundesstaaten werden missbraucht, um die Christen zu schikanieren. Christen werden beschuldigt, Arme, Kastenlose und Adivasis (Ureinwohner) mit Hilfsangeboten zur Konversion zu bewegen. Es gibt aber Kastenlose, die sich aus dem Protest gegen die Kastenpraxis heraus für eine andere Religion entscheiden. Sie wollen unmenschliche Lebensbedingungen ändern. Die Meldepflicht der Konversionen an staatlichen Behörden bringt erhebliche psychologische und wirtschaftliche Probleme für die Konvertiten mit sich und führt zu Diskriminierungen und Schikane durch Beamte und Hindufundamentalisten, vor allem in ländlichen Gegenden. Radikale Hindu-Nationalisten wollen, dass Indien ein Land der Hindus bleibt. Christen werden verdächtigt als ausländische Agenten. Christliche Einrichtungen werden besonders stark kontrolliert. Konten werden gesperrt, damit die Institutionen nicht ihre Arbeit machen können.
Beten mit den Worten eines bedrängten Christen
Um in Gedanken die verfolgten Christinnen und Christen zu stärken, hat Asien-Referent Johny Thonipara liturgische Materialien für Gottesdienste zusammengestellt. Dabei hat er auch einen indischen Christen zu Wort kommen lassen. Lasst uns mit ihm beten:
Barmherziger und gerechter Gott,
heute werden unsere Bemühungen
um eine gerechte Gesellschaftsordnung,
um die Befreiung unserer unterdrückten Mitmenschen
von den Ketten der Sklaverei
und unsere Bemühungen,
einander in Würde zu begegnen,
als Bedrohung angesehen.
Deinen Jüngern wird heute mit Skepsis und Verdächtigungen begegnet.
Unsere Widersacher lachen uns aus.
Wir haben Angst, dass wir angegriffen werden,
unsere Frauen vergewaltigt werden.
Wir haben Angst, dass unsere Kirchen,
Schulen und Einrichtungen zerstört werden
und dass unsere Kinder keine sichere Zukunft haben.
Manche von uns werden gezwungen, ihren Glauben aufzugeben.
Wir fühlen uns hilflos und schwach gegenüber den Fanatikern.
Sie stehen bewaffnet vor unseren Türen.
Hilf uns, Gott, und wehre ab, die uns angreifen.
Verdränge Wut und Hass aus ihren Herzen.
Lass uns spüren, dass du uns hörst und helfen wirst.
Bei dir, Gott, finden wir Hilfe.
Wir glauben an dich und an deine Liebe.
Amen
(Auszug des Gebetes eines indischen Christen, aufgezeichnet von Johny Thonipara)